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AutorenbildSimone Tschopp

Yoga zur inneren Zufriedenheit

Warum nicht mal ganz unverbindlich etwas mehr über die Hintergründe von Yoga erfahren? Yoga umfasst nämlich weit mehr als spektakuläre Körperübungen, wie wir sie

von Kursen und Büchern kennen. Yoga beschreibt eine Jahrtausende alte Philosophie – einen Weg zu innerer Zufriedenheit.

 

In den sogenannten Yoga Sutren von Patanjali (Entstehung zwischen 300 v. Chr. und 450 n. Chr.) ist das Yogawissen systematisch zusammengefasst, das bis heute aktuell geblieben ist. Sie beschreiben in historischer Sanskrit-Sprache einen achtstufigen Pfad, um den Geist zu beruhigen, Körper und Geist zu vereinigen sowie inneren Frieden zu erlangen. Dabei sind Körperübungen nur ein Aspekt, um unsere Sinne nach innen zu lenken, Klarheit zu erlangen, uns auf das Wesentliche auszurichten und unsere Fähigkeiten zielgerichtet einzusetzen.

 

DER ACHTSTUFIGE PFAD

(vergleichbar mit den Speichen eines Rades; alle Aspekte sind gleichwertig wichtig)

  

  1. Verhalten im Umgang mit anderen (Yama)

  2. Verhalten im Umgang mit sich selbst (Niyama)

  3. Körper-, Sitzstellungen (Asanas)

  4. Atemausdehnung (Pranayama)

  5. Zurückziehen der Sinne (Pratyahara)

  6. Konzentration (Dharana)

  7. Meditation (Dhyana)

  8. Tiefe Versenkung, Einheitserfahrung (Samadhi)

 

1. Verhalten im Umgang mit anderen (Yama)

„Je behutsamer ein Mensch handelt, desto mehr werden andere Menschen in seiner Gegenwart liebevolle Gefühle empfinden.“ Patanjali 2.35

  • Gewaltlosigkeit (Ahimsa)

  • Ehrlichkeit, Wahrhaftigkeit (Satya)

  • Nicht-Stehlen (Asteya)

  • Beruhigung der Sinne (Brahmacharya)

  • Nicht-Horten (Aparigraha)

 

2. Verhalten im Umgang mit sich selbst (Niyama)

„Tiefe Zufriedenheit lässt uns grenzenloses Glück erfahren.“ Patanjali 2.42

  • Klarheit (Saucha)

  • Zufriedenheit (Santosha)

  • Geistige Glut , inneres Feuer (Tapas)

  • Studium der heiligen Schriften (Swadhyaya)

  • Hingabe an das Höchste/Göttliche (Ishvara Pranidhana)

 

3. Körper-, Sitzstellungen (Asanas)

Die Körperübungen kennen wir aus dem allgemeinen Verständnis von Yoga – wie es in Kursen und Büchern angeboten wird. Früher wurden die Körperstellungen entworfen und praktiziert, um über einen langen Zeitraum in aufrechter, stabiler Haltung meditieren zu können („Asana“ bedeutet Sitz). Die Sitzhaltung ist fest und angenehm durch die Entspannung in der Anstrengung, was durch die Körperstellungen geübt wird. Die Übungen halten den Körper geschmeidig und flexibel, machen ihn kraftvoll und gesund – als würdevolle Behausung der Seele. Asanas haben eine harmonisierende und gesundheitsfördernde Wirkung auf Körper und Geist.

 

4. Atemausdehnung (Pranayama)

Unter Pranayama versteht sich die bewusste Lenkung bzw. Ausdehnung des Atems in einer aufrechten, angenehmen Sitzhaltung. Die regelmässige Praxis von Pranayama verringert Blockaden, die an einer klaren Wahrnehmung hindern. Der Atem ist sehr eng mit unserer geistigen und emotionalen Verfassung verbunden. Im Pranayama können unbewusste Atemgewohnheiten unterbrochen und durch eine tiefe, entspannte Atmung ersetzt werden.

 

5. Zurückziehen der Sinne (Pratyahara)

Durch das Zurückziehen der Sinne machen wir uns unabhängig von den Reizen der Aussenwelt. Solange wir auf jeden äusseren Reiz reagieren, kommt der Geist nicht zur Ruhe. Wenn der Geist nicht zur Ruhe kommt, gelingt es uns nicht, wirklich mit uns selbst in Kontakt zu kommen. Das wahre Glück liegt nicht in der Befriedigung äusserer Sinneseindrücke, sondern ist in uns selbst zu finden. Damit verbunden ist die Erkenntnis, dass wir zwar Sinne haben, aber dass wir nicht unsere Sinne sind.

 

6. Konzentration (Dharana)

Mit Konzentration im Sinne des Yoga Sutra von Patanjali ist gemeint, dass ein Mensch seinen Geist ausschliesslich auf ein Objekt ausrichtet. Es ist das Binden des Bewusstseins an einen Ort. Wenn unser Geist unruhig ist, fällt uns eine solche Ausrichtung schwer. Durch die Konzentration lernen wir mehr und mehr, uns auf das Wesentliche auszurichten – zum Beispiel auf eine Tätigkeit, auf unser Gegenüber, auf eine Sinneswahrnehmung. Durch die Bündelung der Konzentration können wir enorme geistige Kräfte freisetzen.

 

7. Meditation (Dhyana)

„Im Zustand von Dhyana sind alle Aktivitäten unseres Geistes in einem unterbrochenen Fluss nur auf dieses eine Objekt hin ausgerichtet“ (Patanjali). Je tiefer wir in Meditation versinken, desto mehr tritt das Ich in den Hintergrund. Wir kommen immer mehr mit dem in Kontakt, was hinter all unseren Rollen liegt, die wir im Alltag innehaben. An diesem Punkt der Selbsterforschung fangen wir an, uns so zu sehen, wie wir sind, ohne uns dafür zu verurteilen. Wir beginnen Zusammenhänge auf tieferer Ebene zu erkennen. Es gibt verschiedene Meditationsformen, zum Beispiel die Achtsamkeit beim Ein- und Ausatmen (Anapansati).

 

8. Tiefe Versenkung, Einheitserfahrung (Samadhi)

Das Erleben von Einheit ist schwer in Worte zu fassen. Viele Menschen haben diese Erfahrung in ihrem Leben schon gemacht – bei einem Spaziergang, beim Sport, im Liebesakt, in der Natur. Es ist der Moment, in dem sich die Grenzen zwischen uns und der Aussenwelt aufheben. Wir erleben uns als nicht mehr getrennt – als würde alles stillstehen. Ein Mensch erkennt in solchen Einheitserfahrungen sich selbst – er kommt vollständig zur Ruhe. Dieser Moment ist vergleichbar mit einem See, der so ruhig und klar ist, dass man bis auf den Grund blicken kann. Solche Erfahrungen können nicht mit dem Verstand bzw. dem Willen herbeigeführt werden, es ist die Folge der Verbindung der genannten Aspekte (sozusagen die Nabe im Rad mit den acht Speichen).

 

Die Triade aus Konzentration, Meditation und tiefer Versenkung wird unter dem Begriff der Gesamtausrichtung (Samyama) zusammengefasst und wird als Herzstück der Yogapraxis beschrieben.

 

In den Yoga Sutren werden auch Hindernisse (Kleshas) auf dem Weg zur inneren Zufriedenheit beschrieben, weil sie zu innerer und äusserer Unruhe führen:

 

„Solange der Ursprung unserer Handlungen in den Kleshas liegt, werden die Kleshas diese Handlungen in jeder Hinsicht beeinflussen: in ihrer Ausführung, in ihrer Dauer und in den daraus entstehenden Folgen.“ Yoga Sutra 2.13

  • Falsches Verstehen, Dinge anders sehen wollen, als sie sind (Avidya)

  • Falsche Selbstwahrnehmung, Egoismus (Asmita)

  • Anhaftung, Gier (Raga)

  • Abneigung, Vermeidung (Dvesha)

  • Angst (Abhinivesha)

 

Im Sinne des Yoga Sutra des Patanjali geht es nicht darum, diese fünf Hindernisse zu unterdrücken, sondern sie durch Achtsamkeit zu erkennen. Die Aspekte des achtfachen Pfads helfen, im gegenwärtigen Augenblick wach zu sein, sie zu erkennen und zu lernen, mit ihnen umzugehen – so dass wir innerlich ruhig, klar und ausgerichtet sowie in unseren Handlungen zielorientiert bleiben können.

 

(Quellen: „Yoga der Gegenwärtigkeit“ von Doris Iding & Katja Kaiser; „Der Yogaleitfaden des Patanjali“, Reclam Verlag; „Reflections on Yoga Sutras of Patanjali“ von TKV Desikachar)

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