Sind wirklich die Hormone schuld?
- Simone Tschopp

- 10. Okt.
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 13. Okt.
Viele Frauen in der Lebensmitte berichten über innere Unruhe, Schlafstörungen oder Stimmungsschwankungen. Schnell steht der Verdacht im Raum: Die Hormone spielen verrückt. Tatsächlich verändern sich in dieser Lebensphase die Hormonspiegel – allen voran Progesteron – spürbar. Doch ist das wirklich die ganze Geschichte?
Progesteron als Stimmungsmacher
Das Hormon Progesteron wirkt beruhigend, angstlösend, fördert emotionale Ausgeglichenheit und hat zahlreiche weitere positive Effekte. Es wirkt im Gehirn ähnlich wie GABA, ein hemmender Neurotransmitter, der Ängste dämpfen und Schlaf fördern kann (Schiller et al., 2014). Darum verbessern Hormontherapien häufig Stimmung und Gelassenheit – und trösten über manch neue Falte hinweg. Kein Wunder, dass die Verschreibung bioidentischer Hormone derzeit boomt.
Auch wenn die Einnahme von Hormonen meist rasch Erleichterung bringt, bedeutet es nicht, dass sie die einzige Ursache anspricht und eine ganzheitliche, langfristige Lösung bietet.
Wer Körper und Seele im Gleichgewicht halten will, sollte den Einfluss von Stress auf die Hormone nicht unterschätzen.
Midlife-Stress-Challenge
Die Lebensmitte ist – unabhängig von hormonellen Veränderungen – eine Lebensphase voller Herausforderungen: berufliche Höhepunkte und hohe Verantwortung, pubertierende Kinder und alternde Eltern, Fragen nach Sinn und Partnerschaft, der Wunsch nach Gesundheit, Vitalität und Leistungsfähigkeit. Hohe Ansprüche an sich selbst oder das Streben nach ewiger Jugend machen es nicht leichter. Das erzeugt (Dauer-)Stress!
Wenn Stress die Freude raubt
Chronischer Stress führt fast immer zu Ängsten und einem Verlust von Lebensfreude. Stress begünstigt in jedem Alter Ängstlichkeit, depressive Verstimmung und emotionale Erschöpfung. Einer der Gründe: Stress beeinflusst die Hormonregulation tiefgreifend.
In der hormonellen Umstellung sind diese Wechselwirkungen besonders ausgeprägt. Wird Stress chronisch, verändert sich die Neurochemie des Gehirns – einschliesslich der Empfindlichkeit gegenüber Hormonen (McEwen, 2008). Darum ist es für die Wechseljahre essenziell, die Mechanismen von Stress und Hormonen zu verstehen.
Wie Stress auf die Hormone wirkt
Stress greift massiv in den Hormonhaushalt ein, vor allem über die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse (HHN-Achse). Diese „Stressachse“ reguliert die Ausschüttung des Stresshormons Cortisol und beeinflusst zugleich die Funktion der Eierstöcke – und damit die Produktion von Östrogen und Progesteron.
Wenn Frauen gestresst sind, wird das "Stresshormon" Cortisol gegenüber dem "Entspannungshormon" Progesteron priorisiert. Das Resultat: Gereiztheit statt Gelassenheit.
Unter chronischem Stress wird vermehrt Cortisol gebildet, während das Gehirn die Aktivität anderer hormoneller Regelkreise – insbesondere der Hypothalamus-Hypophysen-Gonaden-Achse – hemmt. Dadurch wird die Synthese von Sexualhormonen wie Progesteron gedrosselt. Der Körper richtet seine Ressourcen in Stressphasen auf „Überleben statt Fortpflanzung“ aus – mit Folgen für die hormonelle Balance. Das heisst:
Chronischer Stress kann zu einem relativen Progesteronmangel führen – unabhängig von der Perimenopause.
Dauerstress zeigt häufig ähnliche Symptome wie ein Progesteronmangel. Wie lässt sich nun unterscheiden, was Ursache und was Folge ist? Hier kommt die ehrliche Selbstreflexion dazu: Was ist wirklich los – und woher kommt die Unzufriedenheit? Wie komme ich zur Ruhe und gewinne neue Lebensfreude?
Diese Auseinandersetzung mit dem eigenen Sein, Sinn und Lebensstil lohnt sich. Ein gutes Stressmanagement ist entscheidend, um Körper und Psyche während der hormonellen Umstellung gesund zu halten. Denn selbst wenn Hormone von aussen zugeführt werden, bleibt chronischer Stress schädlich für Gehirn, Nebennieren und das vegetative Nervensystem.
Wer in dieser Lebensphase gut für sich sorgt, auf Stress, Schlaf, Ernährung und seelische Balance achtet, unterstützt Körper und Geist.
Echte Stabilität entsteht aus dem Zusammenspiel von Hormonen, Lebensstil und innerer Haltung. Es lohnt sich, genauer hinzuschauen: Wie lebe ich? Wie erhole ich mich? Was nährt mich wirklich – körperlich und seelisch? Wie ist mein Mindset? Ganz gleich, ob man Hormone nimmt oder nicht.
Wertvolle Hebel liegen – wie so oft – in Ernährung, Bewegung und Entspannung. Achtsamkeitstraining zum Beispiel senkt nachweislich Cortisolspiegel und depressive Symptome (Goyal et al., 2014).
So entsteht Schritt für Schritt eine Balance – damit frau (mit weniger Progesteron) gelassen bleibt, auch wenn die Hormone mal wieder verrücktspielen.
Was sagt Ihre HRV über Ihr Stressmanagement?
Ein StressCheck oder HealthTracker liefert spannende Erkenntnisse.
Quellen & spannende Literatur:
Briden, L. (2024). Hormone im Lot.
Dr. Schweikart Verlag (2021). Stress, Nebennierenschwäche, Burnout – Natürliche Unterstützung bei chronischer Erschöpfung und Nebennierenschwäche.
Kabat-Zinn, J. (2024). Im Alltag Ruhe finden.
McEwen, B. S. (2008). Understanding the potency of stress. Neuropsychopharmacology, 33(1), 3–12.
Schiller, C. E., Johnson, S. L., & Abate, A. C. (2014). GABAergic and hormonal regulation of mood. Neuroscience and Biobehavioral Reviews, 47, 397–411.
Goyal, M. et al. (2014). Meditation programs for psychological stress and well-being: A systematic review and meta-analysis. JAMA Internal Medicine, 174(3), 357–368.



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